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Die Frau, die erzählt

Menschenrechtsaktivistin Nadia Murad

Nadia Murad aus dem irakischen Dorf Kocho will die brutalen Terroristen des "Islamischen Staates" ins Gefängnis bringen.

 

Als Kind hat sie mit ihren Geschwistern auf dem Dach geschlafen. Bis tief in die Nacht haben sie sich Geschichten erzählt. Nadias Eltern waren Bauern im Dorf Kocho im Nordirak. Außerdem waren sie Jesiden: Sie gehörten zu einer religiösen Minderheit, die seit Jahrhunderten immer wieder verfolgt wird. Am 3. August 2014 war es wieder so weit.

Krieg gegen Ungläubige

2014 hat die Terror-Organisation "Islamischer Staat" (IS) im Nordirak große Gebiete erobert. Im Juni verkündet ihr Befehlshaber dort die Errichtung eines eigenen Staats. Die IS-Kämpfer halten sich für die einzig wahren Gläubigen. Alle anderen Menschen sind für sie "Ungläubige", mit denen sie machen können, was sie wollen. Das tun sie auch: IS-Kämpfer dringen nach Kocho vor. Sie bringen die Männer im Dorf um. Die Mädchen und Frauen nehmen sie mit.

Eine Geschichte fehlt

Sie werden vergewaltigt und danach als "Belohnung" an andere IS-Kämpfer verkauft. Auch Nadia ist unter ihnen. Einen Monat verbringt sie in Gefangenschaft. Dann kann sie fliehen. Sie ist 21 Jahre alt. Die Welt weiß zwar vom Massaker an ihrem Volk. Andererseits: Der Nordirak ist weit weg. Kennt sich noch jemand aus, wer dort warum gegen wen kämpft?

 

Die Jesiden sind eine fremde Kultur. Und schließlich hat man auch eigene Sorgen, die einen den ganzen Tag über beschäftigen. Was fehlt, ist eine Person, die eine einfache Geschichte erzählt: Darüber, was Frauen und Mädchen im Krieg angetan wird. Über das Schicksal der Jesiden. Dass kein Mensch so behandelt werden darf, wie es der IS mit den Jesiden gemacht hat. Seit dem 3. August 2014 hat die Welt so eine Person.

Die Grenze „Menschlichkeit“

Nadia Murad ist aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet. Dort hat sie zu erzählen begonnen. Wie ihr Vater und ihre Brüder vom IS ermordet wurden. Was die Kämpfer ihr und anderen Mädchen und Frauen angetan haben. Dass viele ihrer Bekannten und Verwandten noch immer Gefangene der Terrororganisation sind, die ihr Volk beinahe ausgerottet hat.

 

Und plötzlich hören alle zu. 2016 laden die Vereinten Nationen (UNO) Nadia nach New York ein. Sie spricht vor Vertretern aller Staaten der Welt. Ihre Rede dauert nur fünf Minuten. Am Schluss sagt sie: "Wenn Enthauptungen, sexuelle Sklaverei und Kindesvergewaltigung euch nicht zum Handeln bringen, wann werdet ihr dann handeln? Diese Welt hat nur eine Grenze. Sie heißt Menschlichkeit."

Die Täter bestrafen

Amal Clooney bei UN
Foto: Wikimedia Commons | UK Mission to the UN

Nadia will mehr als nur erzählen: Die Mörder und Vergewaltiger des IS sollen ins Gefängnis kommen. Die Regierungen aller Länder der Erde sollen zugeben, dass das Massaker an den Jesiden ein "Genozid", ein Völkermord, war: die absichtliche Auslöschung einer ganz bestimmten Gruppe von Menschen. Das "Verbrechen aller Verbrechen".

 

Denn dann kann Nadias Anwältin Amal Clooney, die Frau des Schauspielers George Clooney, den Fall vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen. Dann können die Täter ausgeforscht und bestraft werden. Polizisten der UNO ermitteln inzwischen. Auch zwei Haftbefehle gibt es schon. Ein erster Erfolg für Nadia.

Der neue Nelson Mandela?

Etwa 5000 Jesiden hat der IS getötet. 7000 Mädchen und Frauen hat er entführt. 3000 Jesidinnen werden noch immer vermisst. Wer überlebt hat und noch im Irak ist, wartet in Flüchtlingslagern. So wie Nadias Schwester. Sie kann nicht nach Kocho zurück, sitzt in einem Flüchtlingscamp im Nordirak fest. Nadia chattet jeden Tag mit ihr. Ihr Freund Murad wünscht Nadia, "dass sie der nächste Nelson Mandela wird." Nadia Murad sagt: "Ich werde weitererzählen." Für ihren Kampf gegen sexuelle Gewalt wird ihr am 10. Dezember in Oslo der Friedensnobelpreis 2018 verliehen.

Zum Autor

Dieser Artikel wurde von Robert Dempfer im Schülermagazin Topic veröffentlicht.

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