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HelpStars im Gespräch mit Rudolf Sarközi

Obmann des Kulturvereins Österreichischer Roma.

Rudolf Sarközi ist im Burgenland groß geworden. In seiner Kindheit wurde er oftmals als „Zigeuner“ beschimpft. Bis heute tritt er für die Rechte der Roma in Österreich ein. Er ist am Society-Parkett ebenso zu Hause wie in der Politik. Als Obmann des Kulturvereins Österreichischer Roma steckt sein Herzblut besonders in der Förderung junger Roma. Sie zu motivieren und ihnen Selbstbewusstsein zu geben, das ist das, wofür Rudolf Sarközi kämpft. Auch der Kampf gegen Armut ist ihm ein Anliegen, und das nicht nur theoretisch. Rudolf Sarközi spricht nicht nur von Problemen, er tut auch in der Praxis viel für die Verbesserung der Lebensqualität von Roma in Österreich.

HelpStars: Warum ist das Wort „Zigeuner“ ein Schimpfwort?

 

Rudolf Sarközi: Ich bin im burgenländischen Unterschützen aufgewachsen wo – wie am Land üblich – viele Familien Vulgo-Namen, also Hausnamen, haben. Der meiner Familie war im ganzen Dorf „Zigeuner“. Ich war immer der „Zigeuner-Rudi“. Darüber habe ich mich schon als Kind geärgert. Wenn wir beschimpft wurden, dann auch als „Zigeuner“. Im Romanes (Anmerkung: Romani oder Romanes ist die Sprache der Roma) gibt es das Wort „Zigeuner“ aber gar nicht. Roma ist die Mehrzahl, die männliche Einzahl ist Rom, die weibliche Romni. Dazu, wo das Wort „Zigeuner“ herkommt, gibt es mehrere Geschichten, aber keinen wissenschaftlichen Beleg.

 

Würden Sie den Begriff auch aus Opern, der Kulinarik oder Gedichten verbannen?

Sarközi: Nein, am „Zigeunerschnitzel“ oder dem „Zigeuneraufstrich“ kann man nicht mehr herumdoktern. Das nehme ich zur Kenntnis. Aber im Umgang mit Menschen empfinde ich dieses Wort als Beleidigung, weil es uns herabsetzt.

Seit wann kämpfen Sie gegen diese Bezeichnung Ihres Volkes?

Sarközi: 1971 war der erste Roma-Weltkongress – zu dieser Zeit war ich noch weit davon entfernt, ein Aktivist zu sein –, bei dem die Teilnehmer gefordert haben, dass das Wort „Zigeuner“ nicht mehr verwendet wird. Ich bin sehr glücklich darüber, dass der Begriff in der Öffentlichkeit heute nahezu verschwunden ist. Dazu hat auch ein Gespräch, das ich mit Kronen-Zeitungs-Herausgeber Hans Dichand am Donausinselfest vor ein paar Jahren geführt habe, beigetragen. Ich habe ihn darauf angesprochen, dass Roma in seiner Zeitung als „Zigeuner“ beschrieben werden. Seit diesem Gespräch ist der Begriff aus der Zeitung verschwunden.

Sind Sie persönlich verletzt, wenn jemand „Zigeuner“ zu Ihnen sagt?

Sarközi: Am ärgerlichsten ist es, wenn Leute zu mir sagen: „Warum hast du was gegen das Wort? Ich habe schon Landsleute von dir getroffen, denen das nichts ausmacht.“ Die kennen offensichtlich ihre eigene Geschichte nicht! Auch die Nazis haben Roma als Zigeuner bezeichnet und alle nach „Zigeunerart Lebende“ in Konzentrationslager gebracht. Nur Roma, die von ihren Mitmenschen aufgrund besonderer handwerklicher Fähigkeiten gebraucht wurden, überlebten. Beispielsweise waren im Burgenland die besten Schmiede zu dieser Zeit Roma. Wir haben nachgeforscht und Belege dafür gefunden, dass der Beruf manchen Roma in der Nazizeit das Leben gerettet hat. Damals hat man Dienste ja noch nicht bestellt wie heute, sondern sie wurden angeboten.

Zwischen zehn und zwölf Millionen Roma sind über ganz Europa verstreut - wie funktioniert da die Überlieferung von Kultur?

Sarközi: Früher haben Mönche, später die Wissenschaftler über unsere Bräuche und unser Kulturgut geschrieben. Vieles aus unserer Geschichte kann man auch über die Sprache nachvollziehen. Denn aus jedem Gastland sind auch Wörter in der Sprache hängen geblieben. Unter den Roma wird das meiste mündlich weitergegeben. Das, was ich heute über die Geschichte meiner Familie mütterlicherseits weiß, das habe ich von meiner Mutter gehört. Meine Großeltern habe ich nie gekannt, weil sie 1942 im Konzentrationslager Lodz in Polen ermordet wurden. Sie waren 62 Jahre alt.

Gibt es so etwas wie Roma-Volkszählungen?

Sarközi: Es gab 1933/34 im Zusammenhang mit den Feststellungsgesetzen und 1938 bei der Verfolgung, Verschleppung und Vernichtung der Roma durch die Nationalsozialisten Volkszählungen. Damals wurden in Österreich 11.000 Roma gezählt, 8.000 davon lebten im Burgenland. Nach dem Ende der Nazi-Zeit waren von den 11.000 nicht einmal mehr 3.000 übrig. Die letzte Roma-Zählung gab es 2001 von der Statistik Austria. Da sind wir auf 6.300 österreichische Roma gekommen.

Wie ist es zum Namen Ihres Vereins gekommen?

Sarközi: Unseren Verein gibt es seit 20 Jahren. Am Anfang war der Name „Verein für Zigeuner und Nicht-Zigeuner“, als ich dazugestoßen bin, wurde er in „Verein für Roma und Sinti“ umbenannt. Die Volksgruppe der Sinti wollte irgendwann nicht mehr als eine Art Anhängsel genannt werden und so wurden wir zum „Kulturverein Österreichischer Roma“.

Was beschäftigt Sie momentan in Ihrer Vereins-Arbeit?

Sarközi: Aktuell beschäftigt mich die Armut. Die Bettelverbote haben mich und viele meiner Freunde verärgert. Wir müssen Arbeit schaffen, um die Menschen vom Betteln abzuhalten, und brauchen keine Gesetze gegen das Betteln. Dazu haben wir gemeinsam mit mehreren steirischen Gemeinden und der Landwirtschaftsschule Graz ein Projekt im Bereich der biologischen Landwirtschaft gestartet. Roma bauen biologischen Knoblauch an und verdienen damit ihr Geld. Für den Knoblauch gibt es bereits fixe Abnehmer, und das schon vor der ersten Ernte!

Tun Sie auch etwas speziell für jugendliche Roma?

Sarközi: Ich habe außer meinen acht Volksschuljahren keine Schulbildung und appelliere daher besonders an junge Roma, sich zu bilden, so gut es geht. Dazu haben wir 1995 auch einen Roma-Bildungsfonds ins Leben gerufen, mit dem wir junge Menschen während ihrer Ausbildung finanziell unterstützen. Wir helfen mit dem Fonds aber auch Erwachsenen, die keinen Beruf erlernen konnten. Ihnen helfen wir beispielsweise, den LKW-Führerschein zu machen, um bessere Jobaussichten zu haben. Mein Führerschein hat mir damals meine berufliche Zukunft gesichert. Er war für mich der Gesellenbrief.

Haben Roma eine eigene Religion?

Sarközi: Jude zu sein ist gleichzeitig eine Nationalität und eine Religion. Bei Roma ist das nicht so. Der Glaube ist abhängig von dem Staat, in dem die Roma leben. In Österreich ist die Mehrheit der Roma katholisch, in Serbien serbisch-orthodox und in anderen Ländern muslimisch, evangelisch oder was auch immer. Meine Mutter war sehr streng katholisch. Ich bin nicht gläubig, respektiere aber alle Religionen und trete in verschiedenen Glaubensgemeinden in Österreich wirkungsvoll auf. Ich lehne es ab, wenn der eine über die Religion des anderen „matschgert“.

Fühlen Sie sich 100-prozentig als Österreicher?

Sarközi: Ich bin Österreicher und zufällig auch Angehöriger der Volksgruppe der Roma. Ich halte mich hier an den Ausspruch der jüdischen Gemeinde: Es ist keine Auszeichnung, ein Rom zu sein, aber auch keine Schande. Nur mit diesem Selbstbewusstsein kommt man voran. Wenn man das nicht hat, ist man nur damit beschäftigt, nicht aufzufallen. Selbstbewusstsein kommt allerdings erst, wenn man den Anschluss an die Gesellschaft gefunden hat.

Wird für Roma Diskriminierung in einigen Jahren ein Fremdwort sein?

Sarközi: Ich bin ein Mensch, der voll Hoffnung in die Zukunft blickt. Krankjammern bringt uns nicht weiter. Natürlich werden Menschen aufgrund ihres Aussehens diskriminiert, aber ich selbst habe keine solchen Erfahrungen gemacht. Ich bin in Österreich geboren, habe 45 Jahre lang gearbeitet und bin jetzt in der Pension. Ich kann mit meiner Lebensgeschichte Mut geben. Jeder muss seine Leistung bringen. Und wenn Roma sagen, dass sie sich in der Gesellschaft doppelt beweisen müssten, dann sage ich ihnen: Von dir kann man das doppelte verlangen, denn du kannst auch doppelt so viel!