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Dann liesen wir uns mit dem Flüchtling fotografieren...

Eine Nacht in einer Flüchtlingsunterkunft.

Vor einigen Tagen lernte ich im Rahmen eines Betreuungseinsatzes einige Flüchtlinge kennen. Die Betreuung ist in diesem Fall nur für einige Stunden angesetzt und ist quasi eine Zwischenunterbringung in einer Garage, bis die Polizei die Flüchtlinge etwas später gesammelt in die großen Quartiere bringt.
Hier möchte ich die Situation und einige persönliche Einschätzungen niederschreiben. Ich war mir nicht sicher, ob ich diesen Text veröffentlichen soll, und bin es teilweise noch immer nicht. Ich habe mich trotzdem dazu entschlossen und habe mir drei Tage Zeit gelassen, bis ich begann diesen Text zu verfassen um meine Erfahrungen möglichst nüchtern zu schildern.

 

Um kurz nach 3 Uhr in der Nacht wurde ich vom Einsatzleiter angerufen, dass die ersten Flüchtlinge dieser Nacht aufgegriffen wurden und von der Polizei zur Betreuungsstelle gebracht werden. Meine Freundin und ich machten uns auf den Weg. Wir hatten noch einige Minuten Vorlaufzeit. Der Einsatzleiter erklärte uns kurz die wichtigsten Dinge, dann fuhr der Polizei-Bus vor. Es stiegen die ersten Leute aus. Darunter zwei oder drei Kinder. Die nächsten Flüchtlinge waren bereits von der Exekutive angekündigt.

 

Zuerst klärten wir ab, ob jemand Englisch spricht. Ein Familienvater in gelber Jacke bejahte. Er ließ sich das weitere Vorgehen erklären und dolmetschte für die anderen. Ich weiß nicht mehr genau, woher diese Leute kamen, ich denke aber Syrien. Als nächstes wurden alle kurz untersucht und grob registriert. Danach gab es Tee, Wasser, Weißbrot mit Marmelade oder Schoko-Haselnuss-Creme. Wir bereiteten eine kleine Wanne mit Wasser vor und stellten Seife bereit, damit die Flüchtlinge sich waschen konnten. Einige sagten uns oft das einzige Wort, das sie auf Deutsch können: „Danke“.


Die Kinder waren glücklich und starrten mit großen Augen auf die kleinen Teddys, die wir ihnen schenkten. Die nächsten Flüchtlinge kamen. Wieder waren Kinder dabei. Das ganze Prozedere ging von neuem los. In ein paar Stunden werden hier zwischen 50 und 60 aufgegriffene Menschen sein.

 

Natürlich bin ich mit einigen Leuten ins Gespräch gekommen. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir aber der Mann in der gelben Jacke, der mit seiner Frau und seinen zwei Kindern einreiste. Sie waren zwar die größten Teile ihrer Reise mit Schleppern unterwegs, mussten sich aber zwischendurch über 20 Tage zu Fuß durchschlagen. Als er seine Füße wusch, sah ich, dass es anscheinend wirklich wahr ist. Seine Schmerzen wollte ich mir nicht vorstellen. Er fragte mich, wo er denn sei, woraufhin ich es ihm erklärte. Er lächelte mich an. 

 

Ich fragte ihn, ob er denn nach Österreich kommen wollte. „No. We want to go to Denmark. My brother is there. He is waiting for us“. Er fragte mich, wann sie denn ungefähr weiterreisen durften. Mir war bewusst, dass das nicht so schnell der Fall sein würde, wollte es ihm in dem Moment aber nicht sagen. Ich erklärte ihm, dass später jemand vom „Government“ mit ihm darüber reden wird. Er bedankte sich.
Wieder kamen neue Flüchtlinge. Der Mann in der gelben Jacke wollte uns etwas helfen und erklärte den Neuankömmlingen, die kein Englisch, aber seine Sprache konnten, wie es hier abrennt und was es gibt.

 

Es kamen wieder die nächsten. Und wieder. Um 7 Uhr kam die Ablöse. Selbst danach sollten noch weitere Flüchtlinge ankommen. Während wir die Übergabe an das neue Team machten, trat der Mann in der gelben Jacke an uns heran. Er nahm sein Handy und fragte uns, ob er denn ein Foto mit uns Helfern machen dürfe. Wir waren überrascht, und gerührt. Wir posierten. Er lächelte. Dann sagte er wieder „Danke“.

 

Anmerkungen:

 

Soweit die Erfahrungen dieser Nacht. Es klingt nicht sonderlich aufregend, wenn man es niederschreibt. Ich kann die Emotionen, die es vor Ort gegeben hat, gar nicht in einen Text verfassen. Aber es ist definitiv etwas Anderes, wenn man diesen Menschen gegenüber steht und mit ihnen redet. Und den Kindern eine Kleinigkeit schenkt.

 

Was ich aus dieser Nacht - abgesehen von dem menschlichen Standpunkt - erfahren habe, möchte ich aber auch noch anmerken:
Es gibt durchaus mehrere Arten von Flüchtlingen. Manche haben mehr Geld und kommen mit trendiger, sauberer Kleidung an. Andere (und übrigens die meisten) haben weniger Geld. Die meisten haben aber Smartphones. Ja, manche auch iPhones. Sie tragen manchmal Markenklamotten. Manche nicht. Sie kommen nicht aus dem tiefsten Dschungel, wie es sich manche vorstellen.

 

Und trotzdem sind es zwei Dinge, die alle gemeinsam haben: Zum Einen sehen sie alle auf Grund von Krieg und Armut keine Zukunftsperspektiven in ihrer Heimat und kommen deswegen nach Europa. Zum Anderen haben sie alle keine Ahnung, wie es hier in Europa bzw. Österreich ablaufen wird. Dass sie nicht weiterreisen dürfen. Dass sie in Massenquartiere kommen. Dass die Bearbeitung ihres Asylantrages eine halbe Ewigkeit dauern wird. Übrigens noch ein kleines Detail am Rande: Keiner der Flüchtlinge, mit denen ich in dieser Nacht geredet habe, hatte Österreich als Ziel.

 

Der Flüchtlingsstrom wird so schnell nicht abreißen und stellt Europa vor eine unglaubliche schwierige Aufgabe. Ob wir alle Flüchtenden in Europa unterbringen können ohne unseren eigenen Wohlstand zu gefährden? Ich weiß es nicht. Es scheint nicht realistisch. Umso wichtiger ist es, dass endlich längerfristige Lösungen erarbeitet werden. Die Diskussion um Quotenregelungen innerhalb Österreichs dauert viel zu lange und sollte eigentlich keiner Diskussion bedürfen. Es ist akut nötig. Genauso wie auf EU-Basis die akute Unterbringung und eine Reform oder Absetzung des Dublin-Abkommens nötig ist.


Trotzdem darf der langfristige Fokus nicht auf dieser Thematik liegen, sondern darin, wie man die weitere Zukunft organisiert. Und zwar so, dass es Europa nicht auf den Kopf fällt, und trotzdem allen humanitären Regeln entspricht. Das sollte die Hauptaufgabe der internationalen Politik sein.

 

Ungeachtet der politischen Entwicklung werde ich übrigens weiterhin Betreuungsdienste machen. Nicht um der Polizei bei der kurzfristigen Unterbringung zwischen Aufgriff und Abtransport zu helfen. Auch nicht weil ich den Staat aus der Pflicht nehmen will. Sondern weil ich ein Mensch bin und anderen Menschen helfen möchte.

 

Bedanken möchte ich mich bei dem Einsatzleiter für die tolle Organisation und selbstverständlich bei den drei anderen Kolleginnen an diesem Tag.

 

Dieser Text gibt natürlich nur meine persönlichen Erfahrungen und vor allem meine persönliche Meinung wider!

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