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Interview: Adina Wilcke im Gespräch

Teil 1

Steh zu dem, was du denkst und was du fühlst und verbalisier' das. Sprich das aus, du bist nicht alleine mit diesem Gedanken!

 

 

Seit wann bist du eigentlich für den U20 Slam zuständig? Wie lange machst du das schon?

 

Also so nebenher habe ich schon sehr früh angefangen Leute zu coachen und die U20 Arbeit in Wien habe ich vor ein paar Jahren übernommen, das ist der Slam im Dschungel. Dann habe ich mir ein kleines Team mit Leuten gesucht, denen die U20 Arbeit auch am Herzen liegt und die mit mir den Slam machen. Wir haben 2019 vor, den U20 Ö-Slam in Wien zu veranstalten und da steht mir noch einiges bevor.

 

Wann hast du angefangen zu slammen?

 

Und zwar, jetzt muss ich rechnen: Ja, genau vor 6 Jahren! Da bin ich zum ersten Mal auf einer Slam Bühne gestanden, das war Ende 2011 und da war ich 24. Also das heißt, ich bin selber nie in den Genuss gekommen U20erin zu sein. Was ich auch schade fand, weil ich selbst nie so diesen Küken-Bonus hatte oder die Anfängerin war. Also gleich so ins kalte Wasser gestoßen wurde. Was nicht schlimm war, aber bei manchen Dingen habe ich mir gedacht, dass ich gerne jemanden hätte, der mich an die Hand nimmt oder mir Sachen sagt oder erklärt, wie das funktioniert.

 

Deshalb ist es mir voll wichtig Nachwuchsarbeit zu machen und das nicht nur auf U20 zu beschränken. Ich habe auch eine Schreibklasse, das ist quasi ein offener Poetry Slam Workshop, der jeden 2. Monat stattfindet, wo jeder hinkommen kann, der an Slam interessiert ist. Egal ob der schon mal einen Text geschrieben hat oder ganz am Anfang steht und nur Fragen hat. Da mache ich keine Altersbegrenzung.

 

Woran liegt es, dass du nicht früher zum Slam gekommen bist?

 

Ich hab's gar nicht gekannt. Einen Monat bevor ich das erste Mal selber auf der Poetry Slam Bühne gestanden bin, habe ich es das erste Mal gesehen. Da hat mich eine Freundin mitgenommen und da habe ich extrem viel gelacht. Und es war für mich was ganz Neues nicht ermahnt zu werden. Weil im Theater ist es ja ganz normal, dass die alten Damen dann immer "Pssst, pssst" sagen. Für mich war's was ganz Neues, dass ich nicht zurechtgewiesen werde.

 

Und dann hat der Moderator auf der Bühne das mitbekommen, mein Lachen ist anscheinend sehr markant. Der hat dann gemeint: "So ein Lachen brauchen wir hier, du hast jetzt gratis Eintritt auf Lebenszeit!" Also bin ich nach dem Slam zu ihm hingegangen und habe gesagt: "Ich kann nicht nur lachen, ich kann auch schreiben." Und dann stand ich beim nächsten Mal selber auf der Bühne. So bin ich zum Slam gekommen.

Du erlebst ja die U20 Slammer hautnah. Was sind das für Charaktere? Sind das Leute, die für die Bühne leben oder gibt's da auch eher die Leute, die sagen: "Ich weiß gar nicht, ob ich mich das traue oder ob ich das schaffen werde?"

 

Die U20 Slammer, die mir in Wien begegnen, sind welche, die nicht sagen: "Okay, ich werde das jetzt zu meinem Beruf machen." Das können sehr wenige, wirklich davon leben. Ich versuche immer zu vermitteln, dass es eine Ausdrucksform ist, dass du dich mit eigenen Worten in einer kurzen Zeit auf die Bühne stellst. Dass du deine Themen, die dir am Herzen liegen, zu Papier bringst und sie vorträgst. Und gleichzeitig bist du ganz präsent, auch als Person. Also nicht nur dein geschriebenes Wort, sondern auch du als Person.

 

Oft sind es natürlich Leute, die total talentiert sind und sich nicht trauen und ich motiviere sie dann und sage: "Hey, dein Text kann was, du kannst was, du hast etwas zu sagen und die Leute wollen das hören. Also stelle dich der Herausforderung!" Oft sind es sehr unsichere Personen, die ein paar Tritte in den Hintern brauchen. Und für die meisten ist es auch so ein Ausprobieren und ein Schauen, was macht das mit mir und könnte ich noch einen Slam machen.

 

Aber U20er oder U20erinnen vor allem - es sind sehr viele Mädels - für die ist es eher ein sich selbst finden. Ich finde es sehr spannend wie man sich selber kennenlernt, wenn man vor einem Publikum steht mit eigenen Worten, eigenen Gedanken, die plötzlich verbal ausgespuckt werden, laut werden. Dass das auch was mit der eigenen Persönlichkeit macht. Dass es einem voll viel Selbstbewusstsein gibt, wenn das formuliert wird. Und das Publikum honoriert ja eh so gut wie jeden Text und feiert alles und das gibt einem ein ganz anderes Bild wie man sich selber wahrnimmt durch die Fremdwahrnehmung, gleichzeitig Selbstwahrnehmung. Das finde ich sehr schön! Denn gerade in dem Alter ist man eh noch auf der Suche: Wer bin ich? Wohin will ich? Was will ich überhaupt vom Leben? Was kann ich dem Leben geben? Wo sind meine Talente? Wo sind meine Stärken und Schwächen?

 

Oft sieht man nur die Schwächen und sieht gar nicht wie talentiert man ist. Ich finde es halt wichtig, einfach Mut zu machen und das ist meine Grundintention. Steh zu dem, was du denkst und was du fühlst und verbalisier das. Sprich das aus, du bist nicht alleine mit diesem Gedanken! Das gibt einem dann sehr viel Bestätigung!

 

Hast du das Gefühl, dass sich das dann auch in den Texten widerspiegelt? Dieses Finden zu sich selbst, diese Unsicherheit, die man in diesem Alter hat?

 

Ja, man merkt schon, welche Themen immer wieder kommen: Identität und Zugehörigkeit, und auch welche politischen Themen, die gerade aktuell sind. Das finde ich sehr spannend, also eine Zeit lang hatte ich lauter Flüchtlingstexte auf der Bühne. Auch von U20ern? Von U20ern! Ich mache auch viele Workshops an Schulen und wenn dann 12-Jährige anfangen über Donald Trump zu schreiben, weil sie das beschäftigt, finde ich das cool. Dass sie das in diesen kreativen Prozess einbinden, weil sie das persönlich berührt.

 

Gerade bei der Flüchtlingsthematik hat man ja viele, die aus anderen Ländern kommen. Für die ist es was ganz Persönliches. Wir können uns nicht so damit identifizieren, weil wir nicht direkt betroffen sind. Wir kennen das nur vom Sehen und Hören, aber wir als Person sind nicht betroffen. Für sie wird dann die Politik etwas Persönliches. Da verschmelzen halt auch die politischen Themen mit der eigenen Identität, mit der eigenen Wahrnehmung, mit dem Suchen nach sich selbst.

 

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Mehr Infos

Du bist unter 20 und willst auch bei einem Slam mitmachen?

 

Du traust dich noch nicht auf die Bühne und willst lieber mal unverfänglich in die Schreibklasse gehen? Auch das ist möglich!

 

Hier findest du weitere Infos: https://www.dschungelwien.at/pages/poetry-slam