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Anschlag in Wien: Rotkreuz Freiwillige im Einsatz

Foto: WRK/Dokuteam

Beim Terroranschlag in Wien war Bernhard Martinak als freiwillger Sanitäter im Einsatz. Im Interview berichtet Bernhard von seiner Erfahrungen aus dieser Nacht und gibt gemeinsam mit Ilian Scheutz, der am Tag nach dem Anschlag eine Jugengruppenstunde leitete, Tipps, wie man mit schwierigen Ereignissen wie diesen besser umgehen kann.

 

Bernhard, du bist seit 10 Jahren freiwilliger Sanitäter beim Wiener Roten Kreuz und dort auch Jugendgruppenleiter. Am Montag warst du bei dem Anschlag im Einsatz. Wie ist es dir dabei ergangen, wie war die Situation vor Ort?

Ich habe vom Anschlag selbst bereits durch die Medien erfahren und saß beim Alarm gemeinsam mit meiner Freundin besorgt auf dem Sofa. Obwohl das auch keine alltägliche Alarmierung ist habe ich nicht lange gezögert, aber meine Freundin war sichtbar besorgt.
Auf den Weg zu unseren Treffpunkt/Sammelpunkt war ich durch die ganzen kursierenden Fakenews und Videos schon recht angespannt und aufmerksam, da man eigentlich überall hörte „bleiben Sie unbedingt zu Hause“. Bei unserer Station entspannte sich für mich die Lage sehr, da ich mit vielen Freunden und vertrauten Kollegen in den Dienst ging und man uns auch rasch über die tatsächlichen Geschehnisse informierte.
Damit sich meine Freundin, Familie und Freunde nicht um mich sorgten beschloss ich sehr aktiv alle 15 Minuten ein kleines Lebenszeichen abzuschicken.
Nachdem wir alle Fahrzeuge in Windeseile einsatzbereit gemacht hatten, wurden wir mit anderen Einsatzmitteln gemeinsam in der Nähe des Schwedenplatzes stationiert um für Einsätze schnell verfügbar zu sein.
Es ist ein mulmiges Gefühl gewesen so nah am Ort des Geschehens zu sein, wobei ich sagen muss, dass hier jede Einheit gezeigt hat, dass wir als Wien gemeinsam zusammenhalten, zusammenarbeiten und zusammenstehen:
- Die Sicherheitsdienste, die unseren Einsatzbereich, die Stadt, alle betroffenen Personen und mich und meine Kolleg*innen beschützten.
- Die zahlreichen Rettungsdienste aus Wien und Niederösterreich die sich Hand in Hand und auf Augenhöhe gegenseitig unterstützt haben, ob informativ, moralisch oder mit Snacks/Getränken.
- Und alle anderen unterstützenden Organisationen.
Und das alles hat trotz COVID-19 Pandemie Maßnahmen mit MNS und Abstand aus meiner Sicht ausgezeichnet funktioniert.
Ich persönlich habe keinen Patientenkontakt an diesem Abend gehabt, da andere Kolleg*innen stets näher an den Einsatzorten gelegen sind und ich mich somit beruhigender Weise zur Reserve zählen konnte, die wir an diesen Abend nicht mehr benötigt haben.
Ich war nur ca. 5 Stunden lang bis 2 Uhr Morgens im Einsatz, da ich am nächsten Morgen in mein „Normales Leben“ und meinen Unialltag zurückkehren musste und auch, weil ich wusste, dass alle meine Freunde, meine Familie und meine Freundin nicht geschlafen haben bis ich heil zu Hause angekommen bin.

Foto: Markus Hechenberger

Wie waren die Stunden nach dem Einsatz und der nächste Tag für dich? Wie hast du die Ereignisse verarbeitet?

Ich war tatsächlich heilfroh wieder zu Hause angekommen zu sein und konnte mich nach dieser Großeinsatz-Erfahrung endlich entspannen. Bereits auf der Rückfahrt vom Einsatzort konnte ich mit einem Kollegen für mich wichtige Details besprechen, Dampf ablassen und wir konnten uns gemeinsam freuen sicher wieder nach Hause zu kommen. Am nächsten Morgen kamen auch zahlreiche digitale Einsatzupdates, Dankesworte, aber auch Aufforderungen miteinander über unsere Erfahrungen und Erlebnisse zu reden und uns bei Problemen zu melden. Natürlich musste ich meinen Eltern, Freunden und Bekannten noch Rede und Antwort stehen, was ich mir dabei gedacht habe in diesen Einsatz zu gehen und bin stolz darauf gemeinsam mit meinen Kolleg*innen ein kleines bisschen dazu beitrugen, zu zeigen, dass der Zusammenhalt zwischen uns Allen funktioniert und wir auch herausfordernde Hindernisse überwinden können.

Foto: Markus Hechenberger

Als Jugendgruppenleiter hältst du öfter Jugendgruppenstunden ab. Wurden die Geschehnisse in der Gruppenstunde besprochen? Wie seid ihr damit umgegangen?

Ich gestehe, ich habe es nicht an die große Glocke gehängt und in meiner Jugendgruppe wurde es auch nicht explizit von Seiten der Jugendlichen angesprochen.
Wir sind eine Jugendgruppe von 10-14 Jahren und für uns liegt ein großer Fokus stets darauf, dass wir „gemeinsam Hindernisse bewältigen“.
Uns ist es ein großes Anliegen für die Jugendlichen stets eine Ansprechperson bei Problemen, Ängsten und Herausforderungen zu sein.
Wenn ich dieses konkrete Ereignis betrachte, würde ich vor allem die Themen „Fake News“, „welche Inhalte teilt man online“ und „welche Vorurteile entstehen“ behandeln.
Ich bin jedoch teil eines Gruppenleiter-Teams und werde mich hierbei mit meinen Kolleg*innen abstimmen.
Mir ist allerdings auch wichtig, diesem „negativen Ereignis“, dem Attentat selbst, damit nicht noch mehr öffentliche Bühne zu geben, um keinen Nährboden für Angst und Hass zu schaffen.

Ilian, du hast am Dienstag, einen Tag nach dem Anschlag, eine Gruppenstunde gehabt. Wie hast du das Thema mit den Jugendlichen aufgearbeitet? 

Am Dienstagmorgen kam die Idee von Lukas mit den Jugendlichen das Gespräch zum Thema anzugehen. Wichtig ist zu erwähnen, dass wir keine Idee hatten, wie es den Kids geht und wie sie die Situation erlebt haben. So haben wir uns dann entschieden einen offenen und sicheren Raum für die Kids zu schaffen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, das Thema offen anzusprechen und die Sachen zu sagen, die ihnen wichtig sind.

Was für Fragen wurden gestellt?
 

Ich hatte das Gefühl, dass die online Gruppenstunde gut angenommen wurde. Von unserer Seite wurden wenige Fragen gestellt, die Kids haben von sich erzählt, wo sie zu dem Zeitpunkt waren und wie es ihnen dabei gegangen ist. Man hat auch gemerkt, dass einfach das Interesse da war zu wissen, wie es den anderen Kids, aber auch uns als Gruppenleiter geht.

Wie seid ihr mit den Sorgen und Ängsten der Jugendlichen umgegangen?

Lukas hat sich einige Szenarien überlegt die passieren hätten können. Wir haben eine Struktur aufgebaut um Kids, aber auch Gruppenleiter, aus der Gruppe herausnehmen zu können und separat über die Ängste und Sorgen zu reden. Wie gesagt, wir wussten nicht, was auf uns zukommt, aber vielleicht auch etwas zu unserer Überraschung hatten wir eigentlich keine viel zu großen Ängste und Sorgen zu bearbeiten. Im Großen und Ganzen kann man Sagen, dass unsere Jugendgruppe sehr Erwachsen mit der Situation umgegangen ist.

Welche Tipps habt ihr für Jugendliche, die nicht in einer Jugendgruppe sind, die das Thema aber sehr beschäftigt?

Darüber reden ist immer ein guter Anfang. Wenn man keine Jugendgruppe hat, in der man sich austauschen kann, gibt es sicher den eigenen Freundeskreis. Natürlich ist es manchmal notwendig mit einem Erwachsenen drüber zu reden. Wenn man sich nicht wohl fühlt, mit den eigenen Eltern darüber zu reden, kann man sich an einen Vertrauenslehrer an seiner Schule wenden oder eine der Hilfe Nummern (z. B. Rat auf Draht 147, Kinder und Jugendhilfe 01/4000-8011, time4friends) nützen.

Und Bernhard, was sind deine Tipps für Jugendliche?

Redet miteinander, mit Eltern und Freunden. Es ist dabei auch egal, ob die Personen Eure Meinung, oder eine andere Meinung vertreten, denn solange wir respektvoll miteinander reden kommt es zu keinem Stillstand, meist sogar zu Fortschritt.
Ihr könnt, sofern ihr nicht mit Jemand den ihr kennt reden möchtet auch Hilfe-Hotlines wie 147 „Rat auf Draht“, oder andere Beratungshotlines wie Time4Friends kontaktieren.
Mir persönlich hilft es auch mich einfach kurz hinzusetzen und mir aufzuschreiben:
„Was ist passiert?“
„Wie hat mich das betroffen?“
„Wie fühle ich mich dabei?“
Oft kann ich dann auch formulieren, was ich daraus gelernt habe.

Du brauchst Hilfe

Brauchst du seelische Unterstützungen bei deinen Problemen oder hast du Fragen? An diese Nummern kannst du dich wenden:

 

time4friends: Täglich erreichbar zwischen 18 und 22 Uhr unter 0664 1070 144

 

Rat auf Draht: Telefonberatung rund um die Uhr unter 147, ansonsten Online- oder Chatberatung (Mo-Fr 18 bis 20 Uhr)

 

 

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